Gespräch mit Duri Blumenthal, Ilanz

Herausforderungen und Chancen in der Regionalentwicklung

Duri Blumenthal, Historiker, Germanist und Treuhänder, ist seit 13 Jahren Regionalsekretär der Regiun Surselva und seit einem Jahr erster Gemeindepräsident der Fusionsgemeinde Lumnezia. Von den Büros der Regiun, die sich im 3. Stock des Kantonalbankgebäudes in Ilanz befinden, sieht er hinunter auf die Via Centrala, wo sich ein immer längerer Rückstau von Fahrzeugen in beide Richtungen bildet. Strassen- und Schienenverkehr haben stark zugenommen, die Umfahrungsstrasse ist im Bau.

Unsere Fragen beziehen sich auf Aspekte der Regional-Entwicklung und Kooperation zwischen der Val Lumnezia, ihren Nachbargemeinden und Ilanz.

 

Wo sehen Sie, Duri Blumenthal (DB), die grossen Herausforderungen für die Entwicklung der Region?

DB: In der Demographie! Die Annahme der Zweitwohnungsinitiative hat den Wohnbausektor – Baubetriebe, Sanitärinstallateure, Schreiner usw. – schwer getroffen und die Baugesuche sind massiv geschrumpft. Arbeitsplätze gehen verloren. Die Möglichkeiten sinken, junge Familien zu beschäftigen. Kommt dazu, dass auch in der Landwirtschaft, die lange der zweite wichtige Beschäftigungssektor war, die Anzahl der Betriebe stark abgenommen hat und hier heute viel weniger Personen beschäftigt sind. Und wenn Einheimische Partner und Partnerinnen aus dem Unterland finden, wollen sie oft nicht in der Lumnezia, sondern in Ilanz wohnen, weil dort alle Dienstleistungen einfacher verfügbar sind. Der industriellen Entwicklung der Regiun sind durch die langen Anfahrtswege Grenzen gesetzt, aber auch durch den Arbeitsmarkt.

Der Bau neuer Hotels mit einheimischen Investoren kann die Begrenzung im Zweitwohnungsbau teilweise kompensieren. Gute touristische Ressourcen sind auch in der Lumnezia vorhanden: Landschaft, Gastronomie, Infrastrukturen, Architektur (Gion A. Caminada, Peter Zumthor u. a.), ein Kulturangebot mit Festivals und zahlreichen interessanten Kulturgütern, Sonne, ein grosses (beschneites) Skigebiet sowie Byker-Routen. Das ist attraktiv für Familien, nicht für den internationalen Jet-set. Bezüglich Park Adula, bei dem Vals dabei ist, sich jedoch wie Vrin sehr skeptisch zeigt, geht es um ein Abwägen von Vor- und Nachteilen, etwa hinsichtlich der Einschränkung in der Kernzone.

Wie steht es mit Ideen etwa im Gesundheitssektor? Die Burnout-Klinik in Susch im Engadin konnte sich in Kürze hervorragend etablieren.

DB: Das ist auch schon überlegt worden: «Das Lugnez als Florida der Schweiz». Es braucht dazu einfach Top-Leute, die ungern an einem abgelegenen Ort wohnen wollen. Kleinere Projekte wie das Projekt Cumbel werden zurzeit weiter verfolgt: Das ehemalige Altersheim soll für die Integration jugendlicher Lehrabbrecher neu genutzt werden. Es ginge zuerst um vier bis acht, später um rund zwanzig Jugendliche.

Und wie ist die Situation bei der Energiegewinnung – Stichwort Windpark-Projekt Lumbrein?

DB: Die Beeinträchtigung im Landschaftsbild wäre besser zu rechtfertigen, wenn der Windpark zu einem «Kompetenzzentrum Windenergie» ausgebaut werden könnte, indem etwa die ETH angeschlossen wäre, die mit einer entsprechenden Forschungsinfrastruktur ausgerüstet ist. Sonnenenergie ist ebenfalls zu fördern. Um ein Zeichen zu setzen, ist das neue Alters- und Pflegeheim in Vella (da casa val lumnezia) mit Solarpanels ausgerüstet worden, obschon damit Mehrkosten in der Höhe von etwa 300‘000 Franken entstanden.

Wie beurteilen Sie die Beziehungen zwischen Lumnezia und Vals?

DB: Die Zusammenarbeit im Kreis ist unproblematisch. Schade, wenn der Kreis 2015 abgeschafft wird. Die Gemeinden Lumnezia und Vals werden sich dann wohl stärker nach Ilanz ausrichten müssen. Ein gutes Kommunikationsgefäss ist zudem das Regionalparlament. Es handelt sich um eine Plattform, wo die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinden – keinesfalls nur Gemeindepräsidenten, wie es der Kanton wollte – über die Regionalentwicklung debattieren, die Interessen der Region gegenüber dem Kanton vertreten und über das Regionalbudget entscheiden.

An das Nebeneinander haben Romanen und Valser sich seit langer Zeit gewöhnt. Die Maxime heisst «leben und leben lassen». Das einstige Heiratsverbot und die Blockierung durch die Romanen im unteren Tal hatten für die Valser auch etwas Gutes, denn sie ermöglichten es ihnen, ihre Eigenart zu bewahren. Neu ist, dass die derzeitige Uneinigkeit der Valser Bevölkerung jetzt auch nach aussen dringt, was wohl nicht zu ihrem Vorteil ist.

Es gibt auch immer wieder gemeinsame Projekte wie zum Beispiel den «Kulturführer Val Lumnezia und Vals».

und Valser Vereine haben auch schon die Mehrzweckhalle in Uors genutzt?

DB: Ja, die vermieten wir ihnen gerne (schmunzelt). Von der Distanz her – eine Viertelstunde Fahrt – wäre das sicher kein Hindernis für die Nutzer. Wenn jedoch der geplante Bau einer Mehrzweckhalle in Vals ein politisches Prestigeprojekt ist, sind wohl nicht nur rationale Argumente im Spiel. Wichtig bei Projekten mit Mehrzweckhallen ist die seriöse Bedürfnisabklärung. Dann können sie für gesellschaftliche Anlässe wertvoll sein.

Wo gibt es zwischen Lumnezia und Vals Möglichkeiten, die Kooperation auszubauen?

DB: Ein gemeinsames Ziel ist es, die Verwaltungskosten zu senken. Beim Zivilstandsamt klappt das. Bei den Schulen gibt es vielleicht auch Möglichkeiten.

Die negative demographische Entwicklung haben Lumnezia und Vals gemein. Die Frage, ob sich die Schulen bei sinkenden Schülerzahlen rechtfertigen lassen, wird sich früher oder später stellen. Schon jetzt gibt es leere Schulhäuser in Dörfern der Lumnezia, die in preislich günstigen Wohnraum umgewandelt werden. Und Vals wird seine Sekundarschülerinnen und -schüler dereinst womöglich nach Ilanz schicken müssen. Eine zu prüfende Alternative wäre Uors.

Im Kulturbereich gibt es Kooperationspotenzial. Etwa die Schaffung eines Theaterstücks zum Verhältnis Valser und Romanen oder über das Heiratsverbot. Die Entstehung der bronzezeitlichen Siedlung Crestaulta könnte aufgewertet und die Figur des Culan1, nach dem gleichnamigen Roman von Toni Halter, als Identifikationsfigur gefördert werden. Ausserdem ist die Therme Vals als Anziehungspol für die ganze Region wichtig.

Welche Netzwerke sind wichtig?

DB: Gemeindepartnerschaften sind für die Dörfer der Lumnezia bedeutend. Zum Beispiel hat Degen mit Herrliberg eine Partnerschaft, innerhalb der sich Chöre besuchen, man gemeinsam Ausstellungen besucht und die wohlhabende Zürichseegemeinde auch Beiträge an Projekte in Degen zahlt. Der Kreis ist, wie schon erwähnt, ein wichtiges Netzwerk. Im Rahmen des Dorferneuerungspreises 2012 gab es auch ein starkes Interesse in Lumnezia am Erfolg von Vals.

Welche visionäre Idee würden sie mit Lust weiter verfolgen? Wäre das Projekt eines Verbindungstunnels zwischen Vals und Vrin etwas? Ein Tunnel für das Wasser ist ja geplant. Benachbarte Quartiere zu verbinden ist doch belebend?

DB: Verbindungen sind für die Regionalentwicklung immer bedeutend. Es gab ein Projekt, eine S-Bahn von Zürich über Glarus durch einen Tunnel direkt nach Ilanz zu führen. Das wäre eine grosse Sache gewesen.

Herr Blumenthal, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Ursula Berni, Jean-Pierre Wolf
Forum Vals, 130729

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1 Frühgeschichtlicher Roman. Culan, ein Jüngling, ist die zentrale Person. Er kämpft sich vom unbedeutenden Jüngling in der Siedlung Crestaulta durch Heldentaten und ehrenhaften Handlungen bis zum Stammesführer hinauf.

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