Stimmen zum Thema Bauen und Tourismusentwicklung im Alpenraum

Die Welt verändert sich. Die Umwelt verändert sich. Die Bergwelt verändert sich. Das Klima verändert sich. Die Alpengemeinden verändern sich. Todo cambia! Mercedes Sosa singt’s so schön.

Wer sich hingegen nicht verändert, sind die Tourismuspromotoren. Keine Gäste? Dann mehr Allotria! Trostlose Dörfer? Dann mehr bauen! Kein Schnee? Dann mehr Schneekanonen! – Hart ins Gericht mit den Phantasielosen ging kürzlich die NZZ. Nachfolgend zusammengefasst finden sich die Inhalte von zwei einschlägigen Artikeln, die dort publiziert worden sind. Ich verstehe sie als Anregung zu vertiefenden Überlegungen innerhalb von forumvals.

Jean-Pierre Wolf, 08.11.2014

  1. Equity‘ (11,2014; NZZ)

Alpine Luftschlösser – Im Wallis rentieren viele touristische Überbauungen schlecht oder stehen sogar komplett leer. Trotz dieser Misere träumt man in den Dörfern weiterhin von Grossprojekten.

Der Autor, Luzius Theler, stellt sechs Walliser Tourismusprojekte vor. Sein Fazit: ‚Bei vielen touristischen Projekten harzt es.‘

  • Crans Montana will weiter Hotels bauen, obschon der Hotellerie seit 1990 die Hälfte der Hotelbetten verloren gegangen ist, was besonders den Bergbahnen geschadet habe.
  • In der Gemeinde Vex ging das Resort ‚Thyon 2000‘ in Konkurs und wurde zu einem ‚Spottpreis‘ von Banken übernommen.
  • Die Gemeinde Mollens besitzt bereits schlecht ausgelastete Appartement-Silos (‚Aminona‘). Trotzdem wollen Investoren weiterbauen.
  • In Zermatt sollen sieben Luxus-Chalets (‚7 Heavens‘) erbaut werden. Doch bestünden Zweifel daran, ob langfristig eine genügend grosse Nachfrage danach bestehe.
  • In Goms Village (Obergestein) wollen Bauherren seit Jahren neue Hotels erbauen und alte Viehställe umbauen. Man kommt nicht vorwärts. Für solche Projekte in peripherer Lage sei es schwierig, Investoren zu finden.
  • Tschuggen: Sinkende Übernachtungszahlen(-26% seit 2011) lassen viele Chalet-Ferienwohnungen ungenutzt.

Einige pointierte Meinungen und Zitate aus dem Artikel:

  • Es bestehen „überdimensionierte Infrastrukturen“; es „vergammeln Wohnungen“;
  • Tourismus-Resorts sehen wie „potemkinsche Dörfer aus“; „es fehlt nicht an Betten, sondern an Gästen.“
  • „…Geschäftsleute wollten Appartements anbieten, die sich laut Werbung jenseits von allem bisher bekannten Luxus ansiedelten. Jetzt herrscht Katerstimmung…“
  • „…Überzeugung, dass es den Tourismus in seiner bisherigen Ausgestaltung nicht mehr lange geben werde. Dies hänge nicht zuletzt mit den veränderten Freizeit- und Reisegewohnheiten der Jugend zusammen.“

 

  1. NZZ, 08.11.2014

Mit Bauen lässt sich die Tourismuskrise nicht überwinden – In den Alpen hat man den Fremdenverkehr oft als Teil der Bauindustrie betrieben und nicht als Dienstleistung. In einer Zeit, in der sich Tourismusbauten fast nicht mehr finanzieren lassen, rächt sich das. Heute würde es Konzepte brauchen, man hat aber nie gelernt, solche zu erarbeiten. (Daniel Imwinkelried)

Der Autor urteilt hart über Tourismuspromotoren, die ‚im alten Trott weiterfahren‘ wollen, das heisst über jene, die den Tourismus in erster Linie als Futter für die Baubranche sähen und nicht als Dienstleistung am Gast. Obschon die Immobilienpreise nicht mehr so kräftig stiegen, ja, oft sogar sänken, würde an der kurzsichtigen Optik festgehalten. Dabei sei es heute schwieriger, Chalets und Wohnungen zu verkaufen, weil die Leute aus der Finanzbranche als Nachfrager weniger präsent seien. Dazu käme, dass auch junge Leute weniger eine permanente Bleibe in den Bergen anstreben würden.

Die Weihnachts-/Neujahrszeit verlaufe bisher immer noch gewinnbringend, aber Zwischensaisons und die Sommersaison würden die Polster schnell wegfressen. Als Folge würden immer mehr Tourismusangebote im Sommer geschlossen und Tourismusort würden sich wie ausgestorben präsentieren, in ‚Grabesruhe‘, was dem Ort nochmals schaden bringe und eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang setzen könne.

Was tun? Es brauche neue Konzepte und Ideen! Festhalten an raschen Gewinnen aus dem Verkauf von Einheiten, damit sollte es vorbei sein. Es brauche eine straffe vertikale Integration von Hotels, Bahnbetrieben, Skivermietern, Verkehrsbüros, meint der Autor. Leider scheitere dieser Ansatz jedoch oft an Clan-Denken und internen Animositäten, meint er abschliessend.