Kommentar zur Gemeindeversammlung vom 17. Juni 2016
Kommentar zur Gemeindeversammlung vom 17. Juni 2016
von Jean-Pierre Wolf, 21.06.2016
„Licht ins Dunkel der Gemeindeversammlungen“ bringe eine Lausanner Studie über politische Entscheidfindung in den Gemeinden, liest man in einer Zeitung[1]. Oha! Was ist los, denken sich Leserinnen und Leser. Hat man uns nicht eingetrichtert, die Gemeindeversammlung sei die Kernzelle der schweizerischen Demokratie! Hier könne jeder und jede die Geschäfte beeinflussen, die ihn und sie unmittelbar beträfen. Hier gälten Argument und Gegenargument. Dann würde entschieden. Unabhängig, nach eigener Überzeugung.
Was sagt die Studie? – Kurz: Einmal, dass die Teilnahme an Gemeindeversammlungen in den letzten Jahrzehnten im Durchschnitt stetig abgenommen habe, in grösseren Gemeinden stärker als in den kleinen. Dann, dass jene, die an Gemeindeversammlungen teilnehmen, nur schlecht das Gemeindevolk repräsentieren – zu viele Alte, zu wenig Neuzuzüger. Weiter, dass Mechanismen der sozialen Kontrolle und schwer zu entschlüsselnde Interessenbindungen die Unvoreingenommenheit bei der Stimmabgabe beeinträchtigen. Schliesslich, dass korrigierende Reformen die Lage verbessern können: Unter anderem starke Aufsichtskommissionen, die den Gemeinderat und die Verwaltung überwachen; zudem sollte es gegen Entscheide der Gemeindeversammlungen einfache Referendumsmöglichkeiten geben.
Hat das mit Vals etwas zu tun?
Freitag, 17. Juni 2016. 42 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sitzen in der Halle. Hat die Fussball-EM die Teilnahme gedrückt? Möglich, doch wohl eher mässig (Spanien-Türkei). Der Ablauf der Gemeindeversammlung folgt dem Muster, das dem stillen Beobachter auf der Empore bereits bekannt ist und das ihn immer wieder erstaunt: Der Gemeinderat stellt die Geschäfte vor, umschifft dabei alle wirklich interessanten Punkte, lässt die stumme Gemeinde abstimmen, erhält grosse Zustimmung und informiert unter ‚Verschiedenes‘ über den Umgang mit der missliebigen Opposition, die nur Energie verschwende und Kosten verursache. Der vorliegende Kommentar zur Gemeindeversammlung kann deshalb knapp bleiben.
Jahresrechnung 2015. Dazu gäbe es zweifellos Fragen, trotz positiver Erfolgsrechnung, der Fusion mit St. Martin und einem neuen Verfahren zur Rechnungslegung, was Vergleiche mit früheren Jahren erschwert. Doch niemand ist neugierig und auch der Gemeinderat sieht selber keinen Anlass auf problematische Entwicklungszonen hinzuweisen. Und was meint die GPK, die, gemäss oben genannter Studie, dem Gemeinderat und der Verwaltung genau auf die Finger schauen sollte? Sie beantragt Entlastung auf der ganzen Front – alles ist gut.
Marketing Vals. Den Vogel punkto jovialer Null-Information schiesst der Referent zum Marketing Vals ab. Er erzählt ausführlich und detailliert darüber, was in der Tourismus-Förderung alles mit viel Engagement unternommen werde, um „Vals gut zu platzieren“ mittels PR-Aktionen, Sponsoring und Förderprojekten – Postkarten, Wanderkarten, Give-aways, Coopzeitung … Und dazu gehört ja auch das famose Leitbild mit den tausend Schafen und Einwohnern, auf das zweifellos auch der Investor zugreift, wenn er im Nebel Orientierung sucht zur erwünschten Tourismus-Entwicklung im ‚Bergdorf‘… Glaubt man dem Schönwetter-Redner an der Versammlung, gibt es gar keine Probleme – und ob der Wolkenkratzer steht oder fällt, was kümmert es ihn? Offenbar meint er, dazu müsse er als Vertreter des Gemeinderates kein Wort verlieren. Auch nicht über Logiernächte-Statistiken[2] oder über die Wirksamkeit dessen, was im Marketing gemacht wird.
‚Verschiedenes‘. Der Gemeindepräsident informiert. Er meint, der Investor habe seine Verpflichtungen mehr als erfüllt. Die Initianten seien sture Rechthaber, die er nicht zum Rückzug ihrer Initiative habe bewegen können. Er hält die von 114 Stimmberechtigten unterschriebene Initiative für ungültig und ist sich sicher, dass die Gemeinde vor Gericht einmal mehr Recht bekommen werde. Eine moderierende Rolle, bei der er den wohlbegründeten Argumenten der Minderheit in der Dorfbevölkerung mehr Gehör und womöglich Verständnis entgegen brächte, statt sie zu verunglimpfen, liegt ihm fern.
Deshalb und immer wieder:
Die Therme gehört dem Dorf,
der Wolkenkratzer nach Dubai – Basta!
[1] NZZ, 20.6.2016
[2] Wie sie z.B. in der exzellenten Valser Chronik 2015, S. 20, zu finden ist.
160621 Jean-Pierre Wolf
Das hier Veröffentlichte entspricht der Meinung des Autors und deckt sich nicht notwendigerweise mit der Meinung des Vorstands und Vereins.